Werke Szenen

,"Heraldik", Assemblage auf Leinwand 2005

„Dinge für grenzenlos unterdrückbar, rechtlos, willenlos, fühllos und unbedürftig der Selbst-Bestimmung zu halten, das kann bloß, wer meint, dass sie weder Leben noch Macht hätten. Sie haben sie. Wovon sonst hätten die Gedichte, die Bilder, Verse, die Geschichten, dieTräume von jeher gesprochenals eben von ihrer Gewalt? Es ist der Herrenwahn unserer Neuzeit, zu meinen, man könne die Dinge ohne Maß, ohne Grenze ausspähen, ausforschen, ausbeuten, und es werde schon keine Rechnung deswegen ins Haus kommen. Sie täuscht sich, die Neuzeit. Die Täuschung darüber: das eben ist Neuzeit. Neuzeit heißt: Sich darüber in Täuschung zu halten; ein finsterer, schwer lastender, dumpfer und, wie sie selbst sagen würde: mittelalterlicher Irrtum… Meint man, das Unternehmen der Welt- Ausrechnung und Welt- Herstellung werde niemals zurückschla-gen? Meint man, den Dingen dieser Welt mit den Punkt-Augen des Ausbeuters begegnen zu können, und es werde folgenlos bleiben? Ist noch nicht der Gedanke gekommen, in einer Zukunft (es wäre wohl nicht mehr die unsere) könne ein Sozialismus erwachen, der sich auf die unterdrückten, verstoßenen, ausgespähten und ausgebeuteten Dinge bezieht?"

(Auszüge aus: "Aufstand der Dinge", Erhard Kästner)

Das allmähliche Schwinden der Sinne beschäftigt Rosner, die verschwindende und doch dem Menschen zuinnerst gegebene Möglichkeit der Wahrnehmung, der Ästhetik im weitesten Sinne, die Fähigkeit, das Leben mitsamt allen „Dingen“ in allen Facetten zu riechen, zu fühlen, zu schmecken, zu sehen und zu hören. Das Leben ist zu kurz,
um seine Sinne manipulieren oder instrumentalisieren zu lassen. Rosner, der Romantiker, glaubt an Sinneswandel. Er vollzieht ihn in identitätsstiftender Treue zu sich selbst.
Rosner will nichts weniger, oder sagen wir es romantischer: ihn treibt die Sehnsucht, die Dinge zu retten, ihnen Stimm-recht zu geben, weil er wie der Romantiker Eichendorff weiß, dass ein Lied in allen Dingen schläft. Bevor die Dinge den Aufstand proben, was sie ja bereits tun, kommt Rosner ihnen zuvor, holt sie in seine Rettungs-Räume, leistet erste Hilfe, verbindet und betreut, beatmet und beseelt sie. Warum? Weil er ein Romantiker zweiten Grades ist. Zweiten Grades darum , weil die Romantik nicht mehr „da“ ist, sondern zurückerobert werden muss gegen den erbitterten Wider-stand jener, die immer noch glauben, das Schweifen in den Epochen (auch der Kunstgeschichte) ungestraft als reaktionär bezeichnen zu dürfen. So naiv ist Rosner nicht, zu glauben, man könne heute ein Romantiker des19.Jh. sein. Wenn einer dieGebrochenheit unserer Existenz zum Thema hat, dann er. Aber eben auch deren mögliche Überwindung im Geiste einer „romantischen“ Weltperspektive. Daraus ergibt sich auch für die romantische Rolle jene Mehrdeutigkeit, die für Rosners Werk typisch ist:

Die Romantik als Epoche ist vorbei, als Prinzip und Lebens-haltung liegt sie vor uns. Rosners romantische Rolle (rückwärts ?) ist in Wahrheit also ein kühner Sprung nach vorn. Die Poesie der Dinge kann weiter verloren gehen, sie kann aber auch wiederentdeckt werden. Rosner spielt aber auch die Rolle eines künstlerischen Homöopathen und Alchimisten: Die Rettung der Sinne vermittels ihres kurzzeitigen Zum-Schwinden-Bringens. Man glaubt, manches in seinen Werken schon einmal gesehen zu haben. Im Traum? Inder Realität? Virtuell? Aber irgendwie doch auch wiederganz anders…Sinn und Geschmack für das Unendliche hinter dem Vordergründigen sind das Movens seines Rettungs-Wesens, des Künstlers Wunderhorn.
Die Trennung von Natur, Materie und Geist weigert er sich mit zu vollziehen.

 


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Nicht zurück zur Romantik hinter
die Aufklärung, sondern vorwärts zu ihr,
um aufgeklärter zu werden und
mehr Lebens-(spiel)raum zu bekommen,
das heißt, das Leben, die Welt, die Dinge,
die Umwelt, die Kunstaus ihrer eindimensionalen Gefangenschaft, aus dem Schwindel
ihrer Beherrschung und Unterwerfung
zu befreien, mit dem wir uns selbst
mindestens beschwindeln, eher aber
noch schädigen. Ihnen ihre Sprache
und ihren Anspruch zurückzugeben,
damit sie uns wieder überraschen können.
Ist das zu volltönend, zu optimistisch, zu naiv?
Sind wir schon viel zu verstrickt in Kräfte
und Mächte, aus deren Gewalt wir
uns nicht zu lösen vermögen?
Globalisierte Nomaden im Niemandsland,
Monaden ohne Wahrnehmungkompetenz?
Kurz: Spielen wir noch eine Rolle?

 


(Auszüge aus: "Rätsel, die Rat geben" im Katalog
"Das romantische Prinzip", Minden, 2005, Dr.H.Tschöpe)